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Plastiktüten dürfen vorerst gratis bleiben
Im Streit um eine Abgabe für Plastiktüten spricht sich der Verband der Textileinzelhändler gegen eine Selbstverpflichtung aus. Deshalb werden sie nun doch nicht wie geplant von April an von kostenpflichtig.
Unternehmen, die nach der staatlichen Knute rufen, davon hört man eher selten. Beim komplexen Thema Plastiktüte ist es allerdings so. Das ist umso verwunderlicher, weil der Staat selbst eine Selbstverpflichtung der Industrie bevorzugt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wäre es dezidiert lieber, wenn der Handel es selbst schaffen würde, die Verbreitung von Plastiktüten zu reduzieren, so wie es eine EU-Richtlinie vorsieht.
Aber die Widerstände innerhalb des Einzelhandelsverbandes (HDE) sind groß. Zwar hat der Verband Hendricks nun einen Entwurf vorgelegt, in dem steht, wie eine "freiwillige Vereinbarung" der Industrie aussehen könnte. Und die Ministerin hält das Papier sogar für eine "gute Grundlage".
"Niemand will bei Schneeregen mit zwei neuen Hosen über dem Arm durch die Stadt gehen."
Doch nicht alle HDE-Mitglieder ziehen mit, darunter der mächtige Textilverband. Er präferiert am Ende ein für alle geltendes Gesetz. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist, dass, wer Kleidung kauft, nicht verstehe, warum er in dem einen Laden für die Tüte zahlen soll, in dem anderen aber nicht. "Für viele Geschäfte wäre daher als letzter Ausweg eine staatliche Regelung, die in allen Läden gleich gilt, und die dem Kunden nicht als mangelnder Service des einzelnen Geschäftes erscheint, vorzuziehen", sagt Jürgen Dax, Geschäftsführer des Bundesverbandes des deutschen Textileinzelhandels. Dax glaubt, ein Gesetz würde Wettbewerbsgleichheit herstellen, eine Selbstverpflichtung hingegen Verwirrung stiften.
Er hält es prinzipiell für falsch, alle Plastiktüten aus dem Verkehr zu ziehen. "Niemand will bei Schneeregen mit zwei neuen Hosen über dem Arm durch die Stadt gehen und kaum jemand kommt mit einem Kleidersack zum Einkaufen." Und selbst wenn die Verbraucher grundsätzlich mit Tasche, Korb und Klappbox aus dem Kofferraum einkaufen gingen, sei das beim Aussuchen und Anprobieren von Bekleidung hinderlich. "Spontankäufe, die im Modebereich einen zweistelligen Anteil am Umsatz haben, wären da schwierig", sagt Dax.
Der HDE hat jetzt ein Problem. Ursprünglich wollte sich der Verband mit der Regierung bis Weihnachten einigen, und die Kostenpflicht auf freiwilliger Basis sollte im April 2016 eingeführt werden. Daraus werde jetzt aber wohl nichts, sagt HDE-Geschäftsführer Kai Falk. Der Grund ist im Wesentlichen der Widerstand im eigenen Haus. Unterschreiben wollen gegenwärtig nur so viele HDE-Mitglieder, dass nur zwei von sechs Milliarden Plastiktüten, die jährlich in Umlauf gebracht werden, kostenpflichtig würden.
Freiwilligkeit heiße nicht Beliebigkeit
Dabei könnten es 4,37 Milliarden sein, wenn alle HDE-Mitglieder unterschreiben würden. Um die etwa drei Milliarden "Hemdchenbeutel", wie sie Drogerien, Markthändler, Metzger oder Bäcker ausgeben, geht es in den Verhandlungen gar nicht, auch wenn jeder mitmachen kann.
Doch eine Vereinbarung, die nur zwei von sechs Milliarden Tüten betrifft, ist dem Ministerium zu wenig. "Jedwede Maßnahme zur Reduzierung von Plastiktüten, sei sie nun freiwilliger oder regulatorischer Art, muss alle relevanten Handelszweige gleichermaßen umfassen", mahnt die Ministerin. Freiwilligkeit heiße nicht Beliebigkeit. Hendricks liebäugelt deshalb mit einem Gesetz für den Fall, dass die Unternehmen zu kurz springen. Bisher reicht ihr Engagement kaum aus, um das von der EU für 2015 vorgegebene Ziel eines Pro-Kopf-Verbrauchs von 40 Tüten im Jahr zu erreichen.
Die Akzeptanz in der Öffentlichkeit wäre eigentlich da. Und das Geld, das manche schon heute für Plastiktüten nehmen, fließt sogar in die Kassen der Unternehmen. Trotzdem hilft am Ende vielleicht nur ein Gesetz, so wie es Umweltschützer fordern, wie es in Irland wirkte und wie es auch der Textileinhandel in letzter Konsequenz wünscht. Allerdings prophezeit Dax für diesen Fall eine weitere Volte: "Alternativ wird es sicher teilweise eine Umstellung von Kunststoff- auf die deutlich teureren Papiertüten geben", kündigt er an, wohl wissend, dass "die aber ökologisch ja auch nicht unbedingt vorzuziehen sind."